Kreiszeitung Böblingen
03.12.2003 (Anna J. Deylitz)
Seltsamer Inspektor bringt bürgerliche Welt durcheinander
Sindelfingen - "Ein Inspektor kommt" heißt das Kriminal- und Moralstück von J. B. Priestley, das die Gruppe "Theater Szene 03" im Theaterkeller in Sindelfingen spielt.(…)
Wer ist eigentlich dieser falsche Inspektor Goole, in
bewährter und dämonischer Weise gespielt von Frithjof Künzel? Ein Engel? Ein Vertreter eines "himmlischen Überwachungskommitees" oder einfach nur die Verkörperung des kollektiven schlechten
Gewissens? Priestley lässt das offen. Gegenspieler ist der Industrielle Birling, ein Machtmensch mit einem Moralverständnis, das sich an der öffentlichen Meinung orientiert, exzellent verkörpert von
Karsten Spitzer. Die Gattin, Mrs. Birling, die den Alkoholismus des Sohnes verdrängt und selbstherrlich über andere urteilt: vorzüglich dargestellt von Astrid Reinhardt. Der Bräutigam, Gerald Croft,
ist im Hauptberuf Sohn und deshalb so angepasst wie opportunistisch: Björn Poels meistert die weniger dankbare Rolle gut.
Die Fabrikantenkinder sind es, die begreifen, wie tief diese Stunden in ihr bisheriges Leben eingeschnitten haben. Von Ismene Schell überzeugend gespielt: die Tochter Sheila Birling. Der Sohn Eric,
ein frustrierter Jüngling, dem Dinge mehr unterlaufen, als dass er sie betreibt: Stefan Feiler. Das Hausmädchen (Kerstin Dehning-Perc) ist stimmig, ebenso wie Bühnenbild, Ton und Licht. Die Regie
Jürgen Siehrs bleibt eng an der Vorlage und zeigt einmal mehr die Erfahrung und grundsolide Theaterauffassung des Regisseurs.
Sindelfinger Zeitung, 11.12.2003
Das von Jürgen Siehr geleitete Ensemble Szene 03 sucht im Theaterkeller nach Schuldigen
Kausalitätenkette mit Kniff (Von unserem Mitarbeiter Thomas Volkmann)
(....) In dem vom Engländer John B. Priestley 1946 geschriebenen Stück entlockt der von Frithjof Künzel kurz angebundene, kühl, emotionslos und nicht zu durchschauende Inspektor den Mitgliedern einer Industriellenfamilie eine Reihe von Geständnissen. (....) Den Moment des Gewahrwerdens dieser Schuld unterstützt die Regie durch ein kurzzeitiges Einfrieren der Szene. Das Licht dimmt sich herunter, ein schriller Ton erklingt, als hätte ein Blitz der Erkenntnis die vom Inspektor mit den Augen fixierte Person durchdrungen.
Eine große Leistung des Ensembles besteht in der Darstellung der gespielten Wahrheits- und Verhörzustände. (...) Mit dem Pausenvorhang scheint die Sachlage klar. (...) Dass der dritte Akt so gesehen doch noch überrascht, hätte man mit der Pause kaum erwartet. Und doch: Er tut es. (...) Die beschuldigten Astrid Reinhardt, Ismene Schell, Karsten Spitzer, Stefan Feiler und Björn Poels leisten so gesehen einen guten Job, zeigen die Nuancen doppelbödiger Moral in unterschiedlichen Facetten. (...) Seine Aussagekraft hat „Ein Inspektor kommt“ nicht verloren.
Stuttgarter Zeitung, 09.02.2004
Salzsäure tut weh (nic)
Wer trieb die junge Frau dazu, sich auf bestialische Weise umzubringen? Sich mit Salzsäure zu verbrennen? Mit dieser Frage sprengt Inspektor Goole die fröhliche Abendgesellschaft. (...) Ein intelligent gebautes Stück mit vielen Wendungen hat sich die freie Gruppe Theater Szene 03 ausgesucht und unter der Regie von Jürgen Siehr eine solide, kurzweilige Inszenierung erarbeitet, die es schafft, viele spannungsgeladene Momente herzustellen. Der Anspruch an die Schauspieler ist groß – nicht alle lösen ihn so glänzend ein wie Karsten Spitzer, der die Rolle des skrupellosen Industriellen und Familienpatriarchen spielt. Doch an den Maßstäben einer freien Theatergruppe gemessen ist „Ein Inspektor kommt“ durchaus gelungen.
Cannstatter Zeitung, 11.02.2004
Spiel zwischen Schein, Sein und Wirklichkeit (ch)
„Wir sind füreinander verantwortlich!“ lautet die Quintessenz des spannenden Kriminalstücks „Ein Inspektor kommt“, das am Wochenende im KKT seine erfolgreiche Premiere gefeiert hat. Die schauspielerische Leistung der Gruppe „Theater Szene 03“ unter der Regie von Jürgen Siehr trug in hohem Maße dazu bei, dass der sozialkritische Inhalt des spannenden Theaterstücks sehr gut umgesetzt werden konnte. (...) Das Publikum wird bis zum Schluß in Atem gehalten von dem gelungenen Spiel zwischen Schein, Sein und Wirklichkeit. Großer Applaus belohnte das beeindruckende Spiel.