gut gegen Nordwind           von Daniel Glattauer

 

 

SZ/BZ    5. März 2019

 

Wortwechsel voller Witz und Wärme

 

Theater Szene 03 präsentiert die gelungene Bühnenversion des Bestsellers "Gut gegen Nordwind" im Theaterkeller

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Kreiszeitung      4. März 2019

 

Highlight im Theaterkeller Sindelfingen:

 

"Gut gegen Nordwind"

 

 

Tippfehler mit Folgen: Eine fehlgeleitete E-Mail führt zwei Großstadtmenschen zueinander - ohne dass die beiden sich jemals zu Gesicht zu bekommen. Die Kommunikation findet nur per E-Mail statt. Darum geht es in der sehr sehens-werten Szene03-Inszenierung von "Gut gegen Nordwind" im Sindelfinger Theaterkeller.

Von Eddie Langner

SINDELFINGEN. Ein Mann und eine Frau auf einer zweigeteilten Bühne: Links tippt die Frau lächelnd eine Nachricht in ihr Smartphone, einen Augenblick später schaut rechts der Mann auf sein Notebook. Auch er lächelt. Ihre Blicke begegnen sich nicht, eine unsichtbare Wand verhindert jede Berührung. Beide sind sich ganz nah . . . und dennoch komplett allein in ihrer eigenen Welt.

Millionen Leser und Hörbuchhörer kennen die Geschichte von Leo Leike und Emmi Rothner. Die Romanfiguren aus Daniel Glattauers Bestseller "Gut gegen Nordwind" finden durch Zufall zueinander: Emmi Rothner versucht ein Zeitschriftenabonnement zu kündigen, schickt ihre Mails aber jedesmal an die falsche Adresse: nämlich die von Leo Leike, der gerade einer gescheiterten Beziehung hinterhertrauert.

Die beiden wohnen in der selben Stadt. Aus dem Missverständnis entwickelt sich zunächst ein humorvoll-spöttelndes Hin-und-Her. Schon bald wächst sich der rege E-Mail-Austausch zwischen dem Single Leo und der unglücklich verheirateten Emmi zu einem intensiven Flirt aus und wird schließlich zu einer heftig zwischen Verzückung und Verzweiflung pendelnden Liebesaffäre.

Die beiden sind sich so nahe, wie zwei Menschen es nur sein können. Sie kennen die intimsten Geheimnisse, Sorgen und Sehnsüchte des anderen. Und dennoch bleiben sie einander fern und fremd, weil ihre Berührungen und Küsse doch immer nur Buchstaben und Satzzeichen bleiben. Wer die Geschichte nicht kennt, fiebert der Begegnung der beiden entgegen, hofft, dass sie die unsichtbare Wand doch endlich durchbrechen und zueinander finden mögen.

Die Chemie stimmt einfach

Mit Femi Morina und Sandra Willmann werden Leo und Emmi für die Theaterzuschauer lebendig. "Ich hatte für diese Rollen immer nur diese beiden vorgesehen", sagt Regisseur Karsten Spitzer, der damit goldrichtig lag. Die Chemie stimmt einfach zwischen diesen beiden Vollblutdarstellern. In ihren Rollen gelingt ihnen das Kunststück, glaubhaft und innig miteinander zu interagieren, ohne dabei wirklich auf die Reaktionen des anderen eingehen zu können.

Die beiden verleihen dem gemeinsam einsamen Liebespaar individuelle Konturen, persönlichen Esprit und Charaktertiefe. Sandra Willmanns Emmi ist quirlig, witzig, herausfordernd, sprudelt nur so vor Esprit. Femi Morina, der zuletzt in Karsten Spitzers "Amadeus"-Inszenierung die Titelrolle spielte, legt seinen Leo als leicht verklemmten Kopfmenschen an, der anfangs wortgewandt und sarkastisch, später immer flehender und sehnsuchtsvoller die Nähe zu seiner virtuellen Geliebten sucht.

Flotte und humorvolle Inszenierung

Anders als in der Buchvorlage stehen Schauspielern und Regie natürlich noch ganz andere Ausdrucksmittel zur Verfügung: Zum Beispiel schnelle Szenenwechsel, ein gelegentlicher Handy-Brummton beim Eintreffen einer neuen Mail, treffend ausgewählte Musik (darunter eine witzige Queen-Hommage bei "I want to break free") und dazu feiner und augenzwinkernder Humor. All das sorgt bei der Premiere am vergangenen Freitagabend trotz bitter-süßer Handlung für positive Stimmung im Publikum.

Hinzu kommt die geniale Mimik und Körpersprache der Schauspieler. Als zum Beispiel Leo nach einem bewusst anonym gehaltenen Zusammentreffen der beiden in einem vielbevölkerten Café mutmaßt, ob Emmi "diese eine Frau mit dem großen Busen" war, zieht Sandra Willmann mit ihren Lippen eine herrliche Schnute. Femi Morina erntet seinerseits amüsierte Lacher, wenn er nach einer von Emmis Frotzeleien peinlich berührt auf sein Notebook schaut und dabei große Augen macht.

Die Raumaufteilung und die durchdachte Inszenierung von Regisseur Karsten Spitzer transportieren die Grundidee von Glattauers E-Mail-Roman gekonnt auf die Theaterbühne. Ebenso wie die Buchvorlage feiert auch die Bühnenadaption den Zauber der Sprache. In einer schauspielerisch herausragenden Szene steigern Leo und Emmi alias Femi und Sandra sich regelrecht in einen Rausch der schönen Worte. So wird Sprache zum Lustmittel. Oder wie Emmi es an einer Stelle ausdrückt: "Was wir hier machen, ist wie Telefonsex - nur ohne Telefon . . . und ohne Sex."

Als das Stück an diesem Premierenabend zu Ende ist, will der Applaus für die Darsteller und Regisseur Karsten Spitzer gar nicht mehr enden. Femi Morina und Sandra Willman nehmen sich dabei an der Hand und wechseln sogar ein paar Mal zur anderen Bühnenseite, wo zuvor der jeweils andere seine Spielfläche hatte. In diesem Moment ist der Bann gebrochen. Zumindest bis zur nächsten Aufführung, wenn Sandra und Femi wieder zu Emmi und Leo werden.